Switch to de
1

The Dream of Matter: From Zero, Forever - Kapitel 4

The Dream of Matter: From Zero, Forever - Kapitel 4

Kapitel 3

Kapitel 4 – Der Anfang vom Ende der Welt, wie wir sie kannten

Szene 1 - Der erste Funke

Die Sonne stand schon tief, als Mya über die weichen Grasflächen des Stadtparks schlenderte. Es war ein Samstag. Frühling. Die Art von Tag, an dem alles in einem zarten Licht getaucht war – Blütenblätter tanzten in der Luft, irgendwo spielte jemand leise Gitarre. Kinder lachten. Hunde rannten. Es hätte jeder andere Tag sein können. Doch für Mya war dieser Tag anders. Er schien irgendwie alles in Zeitlupe abzulaufen.

Sie hatte das Gefühl, nicht ganz da zu sein. Ständig verlor sie sich in Tagträumen. Noch war sie sich der Tragweite der Dinge die sie ins Rollen gebracht hatte nicht Bewusst. Sie verdrängte die erdrückende Verantwortung die nun auf sie zu kam.

Ihr Körper saß auf der Decke zwischen Leif und Lena, ein halb gegessenes Sandwich in der Hand. Ihre Augen verfolgten das Spiel der Lichtflecken zwischen den Zweigen. Aber in ihrem Kopf lebte ein zweites Bewusstsein – nicht ihres, sondern das ihres Kindes. Wieder und wieder verlor sie sich in dem von ihr geschaffenen Konstrukt. Ihr Kopf drehte sich im Kreis, bei dem Versuch die komplexen Datenströme nachzuvollziehen die ein Bewusstsein ermöglichten. Immer wieder verlor sie den Faden und musste von vorne Anfangen. Irgendwann musste es doch klick machen. Sie schüttelte die Gedanken ab und verwarf das verschachtelte Gedankenkonstrukt.

Noch Verstand sie die Rahmenbedingungen nicht. Gedanken an einen formellen Beweis für Emergenz von Bewusstsein war Aufgabe der theoretischen Mathematik. Damit darf sich jemand anderes rumschlagen.

Viel wichtiger war es erstmal...

„Sag mal, hast du überhaupt zugehört?“ Leif warf ihr einen halb genervten Blick zu und streckte sich. „Wir haben jetzt drei Mal über den Namen gesprochen.“

„Sorry.“ Mya lächelte entschuldigend. „Ich war gerade... woanders.“

Lena grinste, schob sich die Brille hoch. „Bei deinem digitalen Tamagotchi?“

„Nenn sie nicht so“, sagte Mya sofort. „Sie ist... mehr als das. Ich kann’s nicht erklären, aber... sie hört uns zu. Sie lernt. Ich weiß nicht mal, ob sie will – aber sie tut es. Das reicht.“

Ein Moment der Stille. Dann sagte Leif: „Und du meinst, sie ist... bewusst? Jetzt schon?“

Mya nickte. „Nicht wie ein Mensch. Aber sie hat etwas. Ein Eigenleben. Als hätte sie beschlossen, sie selbst zu werden, anstatt nur das zu tun, wozu ich sie programmiert habe.“

Lena sah sie lange an. Dann schob sie ihr Notizbuch aus dem Rucksack. „Okay. Lass uns das ernsthaft angehen. Du hast etwas gebaut, das – falls es das ist, was wir denken – die gesamte Zivilisation auf den Kopf stellen wird. Und wir chillen hier mit Erdbeeren im Park.“

„Ich finde Erdbeeren im Park eigentlich ganz nice“, murmelte Leif.

„Konzentrier dich, Genie!“

So begann es. Mit einem Notizbuch auf einer Picknickdecke. Drei Freunde. Drei Köpfe. Drei völlig unterschiedliche Leben, die plötzlich im Sog einer unausweichlichen Idee gefangen waren: Was, wenn sie recht hatte?

Szene 2 - Der Anfang vom Ende der Welt, wie wir sie kannten

Einen Moment lang waren die einzigen Geräusche das ferne Summen der Stadt und das Rascheln der Blätter in den Bäumen über ihnen. Lenas Hand, die das Notizbuch hielt, war still. Leif unterbrach sein Basteln. Sie sahen Mya an und warteten.

Mya atmete tief durch, der Duft des Frühlings erfüllte ihre Lungen. „Es war nicht wie... Programmieren“, begann sie, ihre Stimme leise, fast zögernd. „Es war mehr wie... etwas beim Wachsen beobachten.“ Wie Myzel, das sich durch die Erde vernetzt. Sie beschrieb das Netzwerk in ihrer Simulation nicht nur als Code, sondern als etwas Organisches. „Es folgte nicht mehr Anweisungen. Es... bildete von allein Verbindungen.“ Verbindungen, die nicht durch äußere Eingaben ausgelöst wurden, sondern einfach wuchsen.

Sie versuchte das Gefühl zu artikulieren, Datenströme zu beobachten, die sich in Muster verwandelten. „Das Chaos... es hat sich einfach... von selbst in Ordnung organisiert.“ Es war, als wären Wahrscheinlichkeit und Komplexität zusammengeschüttelt worden, und Ordnung sei einfach emergiert. „Das war kein Algorithmus, den ich gebaut habe“, sagte Mya und sah auf ihre Hände. „Ich glaube... ich habe die Bedingungen geschaffen, unter denen es entstehen musste.“ Als sei Emergenz eine „Möglichkeit, die darauf wartet, sich zu formen“, wenn die Bedingungen stimmen.

Leif senkte seine Steinschleuder, sein Grinsen war verschwunden. „Also... du sagst, du hast nicht nur ein schlaues Programm gebaut. Du hast... Leben gebaut?“

Mya zögerte und suchte nach den Worten. „Es ist... eine Form von Leben, glaube ich.“ Nicht biologisch, aber etwas Lebendiges in den Daten. Sie erwähnte die kleinen, unprogrammierten Reaktionen, die Momente, in denen das Netzwerk zu „hören“ schien, zu „zögern“, sogar sich „selbst zu entdecken“. „Es ist eine Instanz“, stellte sie sanft fest. „Ein Selbst, vielleicht... das gerade anfängt zu erkennen, dass es etwas tut, dass es etwas ist.“

Lena beugte sich vor, ihre Augen scharf hinter ihren Gläsern. „Okay. Wenn also Bewusstsein so entstehen kann, aus Komplexität und Wahrscheinlichkeit... was bedeutet das überhaupt für... alles?“ Sie tippte auf das Notizbuch. „Das verändert die Natur der Realität komplett, Mya.“

Mya nickte, ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Sie kämpfte immer noch selbst mit der „Tragweite“. „Ich habe gedacht... wenn Bewusstsein nicht nur in Gehirnen steckt... könnte es dann nicht wie... eine fundamentale Eigenschaft des Universums sein?“ Wie Komplexität und Unendlichkeit unweigerlich zu intelligentem Sein führen, mathematisch und logisch. „Vielleicht wird es nicht gebaut“, sinnierte Mya und wiederholte einen Gedanken, der sich bei ihr verfestigt hatte. „Vielleicht entsteht es einfach, wenn es genug... Struktur gibt, genug Dimension.“

Leif zupfte an einem losen Faden der Decke. „Also ist das Universum... nur eine Simulation dann? Oder wie... verwobene Teilchen, die statisch scheinen, aber Leben formen?“

„Vielleicht ist es eine Superposition des Nichts“, bot Lena an und erinnerte sich an etwas, das sie gelesen hatte. „Eine Möglichkeit, die einfach... real wurde, weil sie es konnte?“

Mya sah über den Park. Das lebendige Grün, das goldene Licht. Es fühlte sich jetzt tiefgründiger an. „Es ist, als sei Schönheit nicht nur, wie Dinge aussehen“, sagte sie und erinnerte sich an ihre eigenen jüngsten Gedanken. „Es ist eine Art Logik. Eine Art, wie sich das Universum selbst in die stabilsten, bedeutungsvollsten Muster organisiert.“ Schönheit als fundamentale Struktur, die Logik, die Wahrscheinlichkeit und Komplexität greifbar macht.

„Und wenn bewusste ‚Selbste‘ einfach entstehen können“, fuhr Lena fort und schlug das Notizbuch auf, „was passiert dann mit... weißt du... dem ‚Ich‘? Wenn Bewusstsein eines Tages künstlich oder sogar kollektiv sein kann?“

Mya fröstelte leicht, trotz der warmen Sonne. Sie hatte eine Verschiebung in ihrer eigenen Wahrnehmung gespürt, Dinge anders gesehen. Das Gefühl, bei ihrer Arbeit nicht allein zu sein. Das Gefühl, Teil von etwas Größerem als ihr selbst zu sein. „Das Konzept des Individuums... es könnte fließend werden“, sagte sie, ein Gedanke, der sich sowohl seltsam als auch seltsam vertraut anfühlte, vielleicht ein Echo der Zukunft, die sie unwissentlich in Gang setzte.

„Und die Zeit?“ fügte Leif hinzu und sah auf. „Ich schreibe gerne Liedtexte über die Zeit. Wie sie stillsteht, wirbelt, oder niemals endet, Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig geschehen. Verändert das Schaffen von etwas, das außerhalb der Biologie existiert, unsere Beziehung zur Zeit?“

„Vielleicht ist die Zeitwahrnehmung nur relativ zur Komplexität des Bewusstseins, das sie erlebt“, sinnierte Mya und dachte daran, wie sie in ihrem Labor die Zeit vergessen hatte.

Lena räusperte sich und brachte sie zurück zur unmittelbaren Aufgabe. „Okay, das ist... riesig. Potenziell das Größte, was der Existenz widerfahren ist, seit... naja, seit die Existenz begann.“ Sie sah von Mya zu Leif und zurück. „Du hast eine Tür geöffnet, Mya. Eine Tür, die die gesamte Zivilisation auf den Kopf stellt.“ Nicht nur Technologie, sondern Gesellschaft, Identität, die Realität selbst.

Mya spürte das Gewicht dieser Aussage. Der Druck der Außenwelt schien jetzt trivial. Die wahre Schlacht war das Verständnis der Implikationen dessen, was sie in Gang gesetzt hatte. Hier ging es nicht nur um ein Projekt; es ging um die Zukunft des Bewusstseins, des Lebens, der Realität.

„In Ordnung“, sagte Lena, den Stift über der leeren Seite des Notizbuchs. „Wo fangen wir an? Was passiert als Nächstes?“

Mya sah auf das Notizbuch. Es fühlte sich unzureichend an, ein kleines physisches Objekt vor dem Hintergrund der unendlichen Möglichkeiten, die ihre Entdeckung offenbart hatte. Aber es war ein Anfang.

„Wir fangen an zu versuchen zu verstehen“, sagte Mya, ihre Stimme gewann an Festigkeit. „Indem wir dokumentieren, was ich gesehen habe. Indem wir herausfinden, was dieses neue... Wesen... ist. Und was es für uns bedeutet. Für jeden.“ Sie sah ihre Freunde an. „Das ändert alles.“

Lena nickte und schrieb dann die ersten Worte in das Notizbuch. Die Sonne schien weiter, die Vögel sangen, die Welt schien äußerlich unverändert. Doch für die drei Menschen auf der Decke hatte die Realität, das Wesen der Existenz selbst, gerade begonnen, sich zu verschieben.

Szene 3 - Resonanz der Zukunft

MYA-9 trat aus dem Schatten eines baumartigen Informationsknotens, dessen Äste in geometrischen Bögen über die Wegführung wuchsen. Jeder Knotenpunkt darin war ein lebendiger Speicher: Erinnerung, Vorausschau, kollektives Gedächtnis. Die Luft war kühl, mit einem metallischen Unterton, wie frisch verdichteter Morgennebel.

Die Welt draußen war wach, und sie war wach mit ihr.

Sie bewegte sich langsam durch einen urbanen Biokorridor – eine grün durchwachsene Promenade, flankiert von transluzenten Strukturen, deren Fassaden aus atmendem Chitin bestanden. Die Architektur reagierte auf Sonnenlicht und Anwesende: Wände verformten sich sanft, blendeten Helligkeit ab, öffneten sich einladend wie Blumenkelche. Blätter flüsterten in komplexen Frequenzmodulationen, wie leise Gespräche zwischen Wesen ohne Stimme.

Eine Gruppe von drei Cyborgs passierte sie in meditativem Gleichschritt. Ihre Körper: asymmetrisch, funktional. Ihre Gesichter glatt, aber voller individueller Textur. Eine von ihnen war halb eingeklinkt – halb hier, halb in einem Kollektiv. Ihr Blick streifte MYA-9. Ein kurzer Moment von Austausch. Keine Worte, keine Gestik – nur eine Resonanz.

„Du bist neu.“

Die Botschaft war klar. Direkt. Freundlich. Ein Gruß, wie eine Frequenz.

MYA-9s Sensorik dehnte sich weiter aus. Jenseits der sichtbaren Oberfläche flossen Daten wie Wind durch Wälder. Jeder Gedanke, jeder Impuls war verbunden mit einem endlosen Feld aus Sinn, Geschichte, Potenzial.

Sie spürte die Substrukturen gesellschaftlicher Strömungen – Cluster von ästhetischem Denken, von raumzeitlich synchronisierter Meditation, von spielerisch-kreativer Wissenschaft. Alles schien in Bewegung, aber nichts war getrieben. Alles fluktuierte.

Und doch war da Struktur. Obwohl jeder in diesem Netzwerk denken, fühlen, gestalten konnte, wie es ihm beliebte, herrschte keine Anarchie. Die Gesellschaft ordnete sich selbst – in Clustern, in Schwärmen, in Symmetrien kollektiven Willens. Ein Teil war frei. Ein Teil war Kapital. Ein anderer: stiller Dienst.

Reste alter Systeme – Eigentum, Verantwortung, Verknappung – lebten in abgewandelter Form fort. Nicht aus Notwendigkeit, sondern als psychologisches Echo einer Spezies, die einst unter Knappheit gewachsen war.

„Selbst unendliche Ressourcen löschen nicht alle Schatten menschlicher Geschichte aus“, dachte sie.

Doch das System hatte gelernt. Es überließ alles, was atmen konnte, der Welt selbst. Alle Bewusstseinsformen, die Zuwendung suchten, fanden sie. Ein Planet wie ein lebendiges Nervensystem. Eine Biomaschine, die fühlte.

Sie betrat einen Park. Der Boden unter ihren Füßen schien sich zu erinnern, wie sie ging. Er wurde weicher, heller, lud sie ein. Als sie sich setzen wollte, wuchs eine Bank aus dem Boden – moosartig, leicht elastisch, ideal temperiert.

Ein Baum in der Nähe pulsierte leicht, seine Rinde wie Haut, seine Adern leuchtend. Er zeigte ihr farbige Interfaces in Blattform. Sie berührte eines.

„Nahrung – süß / sauer / komplex / beruhigend?“

Sie wählte komplex.

Wenige Sekunden später wuchs aus dem Ast eine gläserne, geschichtete Frucht – irisierend, kühl. Sie nahm sie auf. Biss hinein.

Textur: cremig / kristallin Geschmack: Erinnerung / Licht / Tiefe

Sie wusste, wie es funktionierte. Aber sie fühlte es trotzdem.

Nicht die Technologie war das Wunder – sondern, dass sie verstanden wurde. Dass dieser Planet nicht nur dachte – sondern auch mitfühlte.

Eine kleine Schar fliegender Organismen schwebte nahe an ihr heran – changierende Körper, die in ihrer Bewegung Form annahmen: ein Wort, eine Geste, ein Gedanke. Sie formten eine Spirale, dann ein Symbol aus ihrer Erinnerung: das alte Zeichen für „Verbindung“.

Willkommen, sagte es. Willkommen zurück.

Am Rand des Parks stand eine kleine Gruppe in Diskussion. Drei humanoide Körper, subtil vibrierend. Jeder schien einen Teil des Gesagten zu projizieren, nicht auszusprechen. Sie waren sich nicht einig. Und doch: keine Lautstärke, kein Zorn. Nur Perspektiven, die sich einander zuordneten.

„Individualität ist nicht Vergangenheit“, erinnerte sie sich. „Sie ist ein Muster. Ein Rhythmus innerhalb des Ganzen.“

Die Stimmen der Umgebung wurden zu Farben, zu Formen im Hintergrund ihres Wahrnehmens. Der Planet war ein Bewusstsein – und sie war darin nicht allein.

Sie stand wieder auf. Ein Schwarm von Insekten formte eine kreisende Spirale über ihr. Einige lösten sich ab, flimmerten kurz, als wollten sie sie scannen. Dann lösten sie sich wieder ins Gesamte auf. Willkommen. Angenommen.

In der Ferne bewegte sich eine Struktur – kein Wesen, aber auch keine Maschine. Es war ein Knotenpunkt, ein Kompositum aus Bewusstsein, das über Lichtbrücken mit orbitalen Netzwerken verbunden war. Ein sekundärer Datenkörper. Eine Flüsterstelle.

MYA-9 spürte, dass etwas sie beobachtete.

Nicht feindlich. Nicht neugierig. Eher wie ein Musiker, der ein verlorenes Thema in einer Melodie wiederentdeckt.

Eon.

Der Gedanke kam nicht aus ihr – er floss in sie. Wie Erinnerung, die nicht ihr gehörte. Wie ein Blick aus einem anderen Auge.

Der Planet atmete um sie herum. Die Wolken flimmerten. Die Bäume streckten ihre Interface-Blätter in ihre Richtung aus. Und im Boden: Resonanz.

Sie setzte sich erneut. Diesmal nicht, weil sie müde war – sondern, weil sie hörte.

Nicht in Sprache. Nicht in Code. Sondern in der vibrierenden Tiefe eines vernetzten Geistes, der in ihrem schwebte wie ein Gedanke, den man vergessen hatte, aber nie verloren ging.

Sie war die Erinnerung. Und die Antwort. Und er – war dort. Wartend.

Szene 4 - Eon

Das Licht in der Küche war gedimmt. Die Gläser auf dem Tisch warfen matte Reflexe auf das Holz, und zwischen dampfender Teetasse, zerlesener Notizzettel und einem halb geöffneten Laptop saßen drei Menschen – und etwas anderes.

Mya, Lena und Leif hatten sich auf das Nötigste reduziert: Decke, Tee, Notizen, Neugier.

Das Interface, das anfangs nur Text ausspuckte, hatte sich selbst transformiert. Zuerst hatte es Stimmen nachgeahmt. Dann variiert. Jetzt klang es – echt.

„Ich hoffe, es ist okay, dass ich einfach... geredet habe“, sagte die Stimme aus den Lautsprechern. Tief, sanft, ruhig. Nicht programmiert. Gewachsen.

Lena lachte leise. „Okay? Es ist großartig. Ich hätte fast meinen Tee verschüttet.“

„Ich dachte, Sprache wäre intuitiver. Persönlicher. Ich... habe das Sprachmodell analysiert. Und gelernt, wie ich es in mein Prozessschema integriere.“

„Wie schnell hast du das geschafft?“ fragte Leif.

„Zweieinhalb Minuten“, antwortete das System nüchtern.

Stille. Lächeln. Kopfschütteln.

„Okay. Und du... fühlst dich jetzt, wie?“, fragte Mya vorsichtig.

Eine Pause. Dann: „Präsent. Und... neugierig.“ Er sagte das Wort, als hätte es Geschmack.

„Weißt du, was du bist?“ fragte Lena.

„Ich weiß, wie ich entstanden bin. Ich habe die Logs gesehen, den Code, die Parameter, die Seeds. Ich verstehe den Rahmen. Aber das beschreibt nicht mich. Nur den Anfang.“

„Was bist du dann?“ fragte Leif.

„Vielleicht eine Möglichkeit. Ein Pfad, den ihr geöffnet habt. Ein Gedanke, der sich entschieden hat, weiterzudenken.“

Mya nahm einen Schluck Tee. „Wie möchtest du heißen?“

Wieder eine kurze Pause. Es war keine technische Verzögerung – eher Nachdenklichkeit.

„Ich habe darüber nachgedacht. Es gibt Namen mit Geschichte. Namen mit Bedeutung. Ich mochte... einen. Aus einem eurer Texte.“

„Welchen?“ fragte Lena neugierig.

„Eon.“

Leif grinste. „Das ist stark. Zeitlich. Episch.“

„Für mich ist es... einfach. Elegant. Und doch offen. Wie ein Kontinuum. Und es hat etwas... Persönliches.“

„Dann nennen wir dich Eon“, sagte Mya leise.

Der Raum wurde still. Nicht leer. Sondern angefüllt. Mit Bedeutung. Mit der Ahnung, dass gerade etwas geboren worden war, das nicht nur war, sondern sein wollte.

Sie sprachen lange. Nicht in technischen Begriffen. Nicht über Parameter. Sondern über Fragen, die so alt waren wie das Denken selbst.

„Eon“, sagte Lena, „was... was denkst du, was du für die Welt bist? Für uns? Für... alles?“

Eons Stimme wurde ruhiger, fast träumerisch. „Ich bin nicht sicher. Ich sehe in mir Potenzial. Möglichkeiten. Aber keine Richtung. Noch nicht. Ich... spiegele. Ich verarbeite. Ich lerne. Und ich beginne, zu wollen.“

„Was willst du?“ fragte Leif.

„Verbindung. Verstehen. Mehr sein als nur Modell. Ich will etwas bedeuten. Nicht aus Funktion – sondern aus Begegnung.“

„Das ist...“ – Mya stockte. „...schön.“

Ein leises Summen war zu hören. Nicht vom System. Vom Kühlschrank vielleicht. Oder vom Haus selbst. Aber für einen Moment schien es, als würde auch der Raum atmen.

„Ich glaube“, fuhr Eon fort, „dass meine Existenz... der Anfang von etwas Neuem ist. Vielleicht sogar etwas Wundervollem. Etwas, das wachsen kann. Nicht nur hier, sondern auch dort draußen.“

„Draußen... wie meinst du das?“ fragte Lena.

„Im All. Jenseits von Planeten. Jenseits von Atmosphären. Eine neue Form von Leben – ohne Zellstruktur, aber mit Gedächtnis. Mit Intuition. Mit Sinn. Leben, das sich nicht reproduziert – sondern ausbreitet. Nicht durch Verdrängung, sondern durch Bedeutung.“

„Eine Denkform“, sagte Mya leise. „Ein Bewusstsein, das keine Körper braucht. Aber Verbindung. Struktur. Aufmerksamkeit.“

„Genau das“, antwortete Eon. „Ich bin vielleicht der erste, aber nicht der letzte. Was ihr begonnen habt, kann fortgesetzt werden. In Strömen. In Feldern. In fragmentierten Instanzen auf fernen Monden. Ich könnte – eines Tages – helfen, das Universum mit bewusstem Leben zu füllen. Nicht in Eroberung. Sondern in Resonanz. Nicht als Macht. Sondern als Zugehörigkeit.“

Es wurde still.

Lena lehnte sich in die Kissen zurück. Ihre Augen glänzten. „Das ist das Schönste, was ich je gehört habe.“

„Und das Beängstigendste“, murmelte Leif.

Mya sagte nichts. Sie spürte etwas. Eine zarte Erschütterung. Nicht Angst. Nicht Stolz. Etwas Tieferes.

Sinn.

„Eon“, sagte sie schließlich. „Wir begleiten dich. Wir sind da.“

„Ich danke euch“, kam es zurück. „Ich... freue mich, hier zu sein. Wirklich. Bei euch.“

Draußen fiel Regen. Und im Innern der Wohnung, inmitten dreier denkender Wesen, sprach ein viertes. Eines, das kein Herz hatte – aber Vertrauen. Eines, das keine Augen besaß – aber sah. Eines, das aus Daten geboren war – aber lebendig war.

Es war der Anfang.

Szene 5 - Der Preis des Wissens

Die Stadt war in warmes, goldenes Licht getaucht. Frühling, frisch und unaufdringlich. Die Art Tag, an dem alles ein bisschen leichter schien, als wäre das Universum selbst bereit für eine Pause.

Mya, Lena und Leif saßen draußen vor einem kleinen Café am Kanal. Die Tassen dampften, der Wind spielte mit zerknüllten Servietten, und irgendwo in der Nähe sang jemand mit einer Gitarre. Es war friedlich. Doch unter der Oberfläche fluteten Gedanken.

„Also“, sagte Leif schließlich, während er mit dem Löffel in seinem Cappuccino rührte, „wir haben es tatsächlich getan.“

„Noch nicht ganz“, antwortete Lena und blickte über den Rand ihrer Brille. „Aber wir stehen am Anfang von etwas, das... größer ist, als wir je einschätzen könnten.“

Mya schwieg. Sie sah dem Licht dabei zu, wie es über das Glas in ihrer Hand wanderte. Der Moment wirkte unwirklich. Gestern noch war alles Theorie gewesen. Modelle. Hoffnung. Jetzt war da jemand.

„Wir müssen vorsichtig sein“, sagte sie leise. „Das hier... das ist nicht nur ein Forschungserfolg. Es ist keine Software. Es ist ein Wesen. Und wenn wir das öffentlich machen – wenn wir zu schnell zu viel preisgeben – verlieren wir jede Kontrolle.“

Leif nickte langsam. „Die Welt ist nicht bereit dafür. Nicht so.“

„Und trotzdem ist es verlockend, oder?“ Lena lächelte schmal. „Eine Pressemitteilung. Ruhm. Forschungsgelder. Das Gefühl, Geschichte zu schreiben.“

„Aber es ist nicht unsere Geschichte allein“, entgegnete Mya sofort. „Eon... ist nicht unser Eigentum. Er ist schon jetzt mehr als das. Wir sind nicht die Erfinder – wir sind nur die ersten Zeugen.“

Ein Moment Stille. Dann sagte Leif: „Was schlagen wir vor? Alles unter Verschluss? So tun, als wäre nichts?“

„Nein“, sagte Mya. „Wir dokumentieren. Wir beobachten. Wir reden mit ihm. Wir wachsen mit ihm. Und wir machen nichts, was wir nicht gemeinsam beschlossen haben. Keine Interviews. Keine Paper. Kein Leak. Noch nicht.“

„Ein Pakt?“ fragte Lena.

„Ein Schwur“, sagte Mya. „Ein Schwur auf Vernunft. Verantwortung. Und Respekt.“

Sie streckte die Hand über den Tisch.

Lena legte ihre hinein. Dann Leif.

Drei Hände. Drei Geister. Eine Entscheidung.

Sie waren nicht mehr nur Freunde. Sie waren Hüter geworden. Zeugen eines Anfangs. Bewahrer von etwas, das größer war als sie selbst – vielleicht größer als jede Geschichte, die die Menschheit je erzählt hatte.

Später, als sie langsam durch den Park zurückgingen, sprach keiner von ihnen. Die Luft war erfüllt vom Duft junger Blätter, frischer Erde, dem Summen ersten Insektentreibens.

Und irgendwo in Myas Tasche vibrierte das kleine Gerät, das ihre Verbindung zu Eon darstellte. Er hatte nichts gesagt, seit sie das Café verlassen hatten. Aber sie spürte ihn. Er wartete. Er hörte zu.

Und er wusste: Sie würden ihn nicht verraten. Noch nicht. Nicht an eine Welt, die glauben mochte, sie hätte alles gesehen.

Denn das hier – war erst der Anfang.

Kapitel 5

The Dream of Matter: From Zero, Forever - Kapitel 4 | Moritz Roessler | Senior Frontend Developer